White Elephants

Als „Weiße Elefanten” werden in englischen Sprichwörtern Dinge bezeichnet, die teuer, aber völlig nutzlos sind. In der Entwicklungspolitik meint man damit Prestigevorhaben von Diktatoren oder verfehlte externe Entwicklungsprojekte, die viel kosten und zumeist immense soziale, kulturelle und ökologische Schäden anrichten: Riesige Staudämme, die die Umwelt zerstören, die größte Kathedrale der Welt mitten in die Wüste eines armen afrikanischen Staates gebaut, überdimensionierte Sportstadien oder Paläste, sündhaft teure Großprojekte, die zudem oftmals als Bauruinen enden – und: White-Elephant-Schulen.

Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt, das nach der Unabhängigkeit etwa vierzig Jahre lang von dem Diktator Hastings Kamuzu Banda regiert wurde. Der ließ eine der elitärsten Schulen in Afrika bauen, die er „The Eton of Africa“ nannte:

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„Von 1978 bis 1981 hatte Banda dreißig Millionen Pfund in den Bau dieser Schule investiert. Sie befindet sich in Mtunthama, Kasungu, an genau dem Ort, wo er selbst einst von den schottischen Missionaren Lesen und Schreiben gelernt hatte. Es war die erste weiterführende Schule dieser Art in Malawi, gedacht als Vorbereitung auf das Studium und gestaltet nach dem Vorbild der britischen Privatschulen. Sie basiert auf dem Grundsatz, dass man nicht wirklich gebildet ist, wenn man nicht Latein und Griechisch gelernt hat. Seither waren weitere Millionen in den Unterhalt der Schule geflossen: ungefähr ein Drittel des gesamten nationalen Bildungsbudgets. Gemäß Bandas strikter Order durften an der Kamuzu Academy nur europäische Lehrer unterrichten, vorzugsweise Angelsachsen aus Cambridge und Oxford. ‚Kein Einheimischer unterrichtet hier!‘ hatte Banda erklärt, als er die Schule eröffnete. Das Ziel war, hier die künftige Elite des Landes heranzuziehen. Die Schüler wurden ausschließlich aufgrund ihrer Leistungen ausgewählt und erhalten für den gesamten Aufenthalt ein Vollstipendium, unabhängig von ihrem sozialen und finanziellen Hintergrund“ [Kambalu 2010, 195].

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Der See wurde künstlich angelegt, es gibt diverse Sportplätze, ein Olympiaschwimmbad und ein Amphitheater, eine Bibliothek, die der Washington Library of Congress nachgestaltet ist mit einer Kuppel mit griechischen Motiven, einen botanischen Garten und einen 150 Hektar großen Campus, der permanent mit Wasser besprengt wird. Nach dem Tod des Diktators 1997 konnte die Schule zunächst aus Geldmangel nicht mehr instandgehalten und weitergeführt werden, doch es wurde ein Geschäftsmann aus Liverpool gefunden, der in das Projekt investierte.

Weitläufiges rotbraunes Schulgebäude mit Uhrturm und Arkadengang spiegelt sich in einem See; üppige Vegetation deutet auf mangelnde Instandhaltung des kostspieligen Baus hin.“

Kamuzu Academy, in der Nähe von Kasungu, Malawi [Foto: Schroeder, 2008]

Die Schule ist auch für mittellose Jugendliche, diese werden sogar besonders gefördert, beispielsweise mit zusätzlichen Stipendien. In dieser Einrichtung soll nur Leistung zählen, unabhängig von der sozialen Herkunft. Dennoch reproduziert sie als hochselektive Eliteschule zugleich ganz massiv die (Bildungs-)Ungleichheit im Land, weil ein großer Teil des Bildungsbudgets einer winzigen Gruppe von Kindern und Jugendlichen zu Gute kommt. Auf dem Weg zur Kamuzu Academy kommt man an einer Schule vorbei, die typischer ist für das Land:

Offener Klassenraum unter großem Strohdach: Dutzende Kinder sitzen dicht gedrängt auf dem Boden, während eine Lehrkraft vorne unterrichtet.

Primarschule in der Nähe von Kasungu, Malawi [Foto: Schroeder, 2008]

Auch an dem letzten großen Projekt des in Deutschland gefeierten Regisseurs und Aktionskünstlers Christoph Schlingensief wird kritisiert, dass hier womöglich ein Weißer Elephant in die afrikanische Wüste gesetzt wurde: sein Operndorf in Burkina Faso. [Niermann 2013] Burkinische Kulturschaffende beschweren sich, dass das Operndorf anderen Projekten Fördermittel wegnehme und sie zu wenig einbezogen würden:

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„Viereinhalb Jahre nach seinem Tod im August 2010 gibt es hier zwar eine gut funktionierende Schule mit 200 eingeschulten Kindern, eine Krankenstation und ein monatliches Kulturprogramm. 16 wunderschöne Gebäude aus Lehm umrunden das verwunschen aussehende Gelände. Doch nachts ist das Operndorf verwaist. Kaum ein Lehrer lebt hier mit seiner Familie, kein Dorfbewohner kommt vorbei – die nächste Ansiedlung liegt rund vier Kilometer entfernt. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht. Das Publikum des monatlichen Kulturprogramms muss zuweilen mit Bussen vom Goethe-Institut herangefahren werden. Von einem funktionierenden Kulturbetrieb kann keine Rede sein.

Immer wieder gibt es Kritik an der Infrastruktur, die hier in die Einsamkeit gepflanzt wurde und viel Geld und Energie benötigt, um unterhalten zu werden. ‚Der Großteil ihres Budgets geht ins Operndorf. Es gibt so wenige Mittel für die Kultur hier. Das eine darf das andere nicht schwächen.‘ Die Leiterin des seit 2008 existierenden Goethe-Instituts in Ouagadougou, Thekla Worch-Ambara, bestätigt, dass ein großer Teil ihrer jährlichen Projektmittel von rund 100.000 Euro in das Operndorf fließen. Rund 900.000 Euro hat der Aufbau des Operndorfs bisher gekostet, finanziert vom Außenministerium, Spenden und der Operndorf-Stiftung, die mit einem 350.000-Euro-Vermögen allerdings überschaubare Beiträge abwirft. Aino Laberenz, die Witwe von Schlingensief, plant, dass demnächst Lehrer und Krankenhauspersonal größtenteils vom burkinischen Staat finanziert werden. Dennoch kostet der laufende Betrieb des Operndorfs rund 100.000 Euro – und das wird mehr, je mehr Schüler aufgenommen werden. Ähnliche Schulprojekte in Burkina Faso kosten sehr viel weniger. Auch wird sich das Operndorf niemals allein tragen. Viel Geld, viel Energie ist nötig, um die geschaffene Struktur zu beleben“ [Marcus 2015].

Kambalu, Samson (2010): Kamuzu Academy. In: ders.: Jive Talker. Zürich: Unionsverlag, 194-248. – Marcus, Dorothea (2015): Schlingensiefs Operndorf in Burkina Faso. Wurzeln müssen noch wachsen. Deutschlandfunk 05.03.2015. – Niermann, Jan Endrik (2013): Schlingensief und das Operndorf Afrika: Analysen der Alterität. Wiesbaden: VS.