Schulen für Schwarze in Deutschland
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten nur sehr wenige Afrikanerinnen und Afrikaner in Deutschland. Anders als bei den Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien blieb die Zahl der „Schutzbefohlenen“, die nach Deutschland gelangten, sehr gering, weil sie mit vielen administrativen Barrieren daran gehindert wurden, die deutschen Kolonien zu verlassen. So wurde ihnen beispielsweise die deutsche Reichsangehörigkeit nicht zuerkannt, was sie zu „Ausländern“ machte und ihre Einwanderung sehr erschwerte. Bei geringen Gesetzesverstößen entledigte man sich der im Reich lebenden „Deutschafrikaner“ durch so genannte Heimschaffungsmaßnahmen. Nur selten gelang es den vorwiegend männlichen Zuwanderern aus Afrika, sich im Deutschen Reich eine unabhängige Existenz aufzubauen oder gar die Einbürgerung zu erlangen. [Westermann 1999]
Ab 1933 wurden die Lebensbedingungen für diejenigen, die Deutschland bis dahin nicht verlassen hatten, noch schwieriger. Wurde den „Kolonialafrikanern“ trotz völkischer Rassenpolitik im Nationalsozialismus zunächst ein gewisser Schutz zuteil, da man sie bei der geplanten Rückeroberung deutschen Kolonialbesitzes in Afrika als einheimische Fürsprecher funktionalisieren wollte, entzog man 1940 den im Deutschen Reich lebenden Afrikanerinnen und Afrikanern die Arbeitserlaubnis und nahm ihnen somit ihre Existenzgrundlage. Die Spuren der wenigen in Deutschland verbliebenen Afrikanerinnen und Afrikaner verloren sich. Eine quantitativ bedeutsame Einwanderung findet erst Mitte der 1980er Jahre statt. Etwa dreihunderttausend Menschen aus Afrika leben in der Bundesrepublik, ein beträchtlicher Teil von ihnen sind Geflüchtete.
Vereinzelte Aufenthalte von Afrikanerinnen und Afrikanern in Deutschland zu schulischen und beruflichen Ausbildungszwecken reichen bis in die vorkoloniale Zeit zurück. Jugendliche aus den deutschen Kolonien, fast ausschließlich männlichen Geschlechts, konnten auf verschiedenen Wegen zur Ausbildung nach Deutschland gelangen: auf Vorschlag oder Veranlassung von Seiten der Missionsgesellschaften, durch Vermittlung und unter Aufsicht regierungsamtlicher Stellen, schließlich auch aufgrund von Privatkontakten in eigener Initiative. Organisiert und finanziert wurde ihr Aufenthalt je nach Einzelfall in unterschiedlichem Umfang durch Missionsgesellschaften, Unternehmen, die deutsche Regierung, Privatpersonen, Ausbildungsvergütungen und durch eigene Mittel der Familien. Die Norddeutsche Mission richtete, zunächst im württembergischen Ochsenbach beziehungsweise später in Westheim bei Schwäbisch Hall, die so genannte „Ewe-Schule“ ein, in welcher junge begabte Eweer (aus Togo) eine deutsche Bildung erhalten sollten. Die Schule war zunächst als Notbehelf gedacht, bis in der Kolonie selbst eine entsprechende Einrichtung gegründet werden konnte. Sie bestand dann aber von 1884 bis 1900, und es wurden jährlich durchschnittlich zwanzig junge Eweer aufgenommen. Die zwei- bis dreijährigen Kurse bereiteten auf eine künftige Tätigkeit als Missionare vor, neben theologischen Fächern wurde ein an der Volksschulausbildung orientiertes Bildungsprogramm vermittelt. [Ustorf 1989; Kokou 2009]
Gleichwohl blieb ein Deutschlandaufenthalt von Afrikanerinnen und Afrikanern in der Öffentlichkeit sehr umstritten, dies galt vor allem dann, wenn sie sich aus eigener Initiative und damit frei von unmittelbarer behördlicher Kontrolle im Reich bewegten. Über Vermittlung und teils auf Kosten der deutschen Regierung scheinen zwischen 1889 und 1919 weniger als hundert Jungen oder junge Männer aus den Kolonien nach Deutschland gekommen zu sein: Sie wurden in Familien untergebracht, besuchten den jeweiligen Zielen entsprechende öffentliche Schulen oder erhielten eine berufliche Ausbildung. Es ist aber kein einziger Fall bekannt, dass ein „Schutzbefohlener“ aus deutschen Kolonien an einer deutschen Universität studiert hätte. Auch dies belegt eine generell restriktive deutsche Kolonialpolitik im Gegensatz zu den vorhandenen höheren Bildungseinrichtungen im französischen und besonders im englischen Kolonialschulwesen [Adick/Mehnert 2001].
Diese Politik der ‚Bildungsapartheid’ äußerte sich ebenso darin, dass in den (→) Kolonialschulen für die „Weißen“ in Deutschland höhere sowie akademische Bildungsabschlüsse vergeben wurden.
Die „schwarzen“ und „farbigen“ Kinder blieben im Nationalsozialismus ab 1941 vom Besuch der öffentlichen Schule ausgeschlossen und wurden teilweise in die Vernichtungslager gebracht. [Hansen 1994, 1995].
Die bundesrepublikanische Nachkriegsgeschichte ist durch einen intensiven Bildungsdiskurs um die Frage des Umgangs mit den „farbigen“ Kindern aus Beziehungen von „weißen“ deutschen Frauen mit „farbigen“ amerikanischen Soldaten geprägt. Die Kultusministerkonferenz empfahl 1952, für diese Kinder keine gesonderten Schulen zu schaffen, sondern sie in die öffentlichen Schulen zu integrieren. Diese Bemühungen sollten begleitet werden von einer intensiven Fortbildung der betroffenen Klassenlehrkräfte sowie Aktivitäten zur Aufklärung der Öffentlichkeit. Von der Unterbringung der Kinder in speziellen Heimen wurde ebenfalls überwiegend abgesehen, wenngleich es einzelne Einrichtungen gab, so das von 1952 bis 1959 bestehende „Albert-Schweitzer-Kinderheim für Mischlingskinder“. Diese Institution wurde immer wieder verlegt (Wuppertal, Neu-Asel, Regensburg). In sie wurden ausschließlich „farbige Soldatenkinder“ im Alter zwischen zwei und elf Jahren aufgenommen. Die Gründerin des Heims, Irene Dialloo, wollte die Kinder vor der Diskriminierung durch andere Kinder schützen, so dass sie zu selbstbewussten Menschen heranreifen konnten. Die Jugendlichen sollten eine spezifische Berufsausbildung erhalten sowie Fremdsprachen erlernen, um nach Übersee auswandern zu können. Genehmigten die Jugendbehörden zunächst die Einrichtung des Heims, wurde es dann mehrfach geschlossen, weil in dem Konzept eine Fortsetzung der NS-Politik gesehen wurde, „artfremde“ Menschen in Sondereinrichtungen zu bringen. [Lemke 2002]
Während es in der BRD keine speziellen Schulen für afrikanische Kinder gab, weil dies ein Verstoß gegen das Grundgesetz gewesen wäre, welches verbietet, aufgrund der Hautfarbe eine schulische Segregation vorzunehmen, fanden in der DDR andere schulpolitische Entwicklungen statt. So lebten von 1979 bis 1990 über vierhundert Kinder und Frauen aus Namibia in Bellin, einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern. Auf Wunsch der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO war dort ein Kinderheim eingerichtet worden, in dem hauptsächlich durch Kriegserlebnisse traumatisierte Kinder eine Aufnahme fanden. In dem weitestgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmten Heim wurden zudem junge Namibierinnen zu Erzieherinnen ausgebildet. Auch die Kinder lebten abgesondert von der Bevölkerung, gingen aber in die staatliche Schule, wo sie jedoch in Sonderklassen unterrichtet wurden. In Staßfurt (Bezirk Magdeburg) besuchten zwischen 1982 und 1988 rund neunhundert Jugendliche im Alter zwischen neun und sechzehn Jahren aus der Volksrepublik Mosambik die „Schule der Freundschaft“. Die eigens eingerichtete und nach außen abgeschlossen geführte Internatsschule umfasste Schul-, Versorgungs- und Wohngebäude. Die Jugendlichen aus Mozambik erhielten eine allgemeine Schulbildung sowie eine zweijährige berufliche Ausbildung, an die sich ein drei- bis sechsmonatiges Betriebspraktikum anschloss. Nur Portugiesisch und das Fach politische Bildung wurden von Lehrkräften aus Mozambik unterrichtet. Demgegenüber besuchten von 1986 bis 1990 dreihundert Schülerinnen und Schüler aus Namibia, die im selben Internat untergebracht waren, die Polytechnische Oberschule im benachbarten Löderburg. [Rüchel 2001; Reuter/Scheunpflug 2006; Timm 2007]
Typisch für den aktuellen pädagogischen Umgang mit afrikanischen Flüchtlingsjugendlichen in Deutschland ist es, diese oftmals zu mono-ethnischen Wohngruppen zusammenzufassen, wobei es sich de facto um multi-ethnische „afrikanische“ Einrichtungen handelt. Sofern die jungen Afrikanerinnen und Afrikaner zum Schulbesuch zugelassen werden, sind sie indes in die öffentlichen Schulen integriert. Spezielle Schulen für afrikanische Jugendliche sind nicht bekannt. Weil insbesondere junge Geflüchtete rechtlich ausgegrenzt sein können, bieten mancherorts in Deutschland die afrikanischen Selbstorganisationen, Vereine und Kirchen sowie die deutschen Träger der Migranten- und Flüchtlingsarbeit schulische und vor allem berufsqualifizierende Bildungsgänge ausschließlich für afrikanische Jugendliche an. In einer um 2000 in Hamburg durchgeführten Erhebung, wo zu dieser Zeit etwa 16.000 Afrikanerinnen und Afrikaner (ohne Eingebürgerte) lebten, war herausgefunden worden, dass die diversen afrikanischen Organisationen eine Vielzahl von Sprach-, Computer- und Nähkursen sowie in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz einige Kurse für den ambulanten Pflegedienst für Afrikanerinnen realisierten. Auch ein berufliches Qualifizierungsprojekt für afrikanische Jugendliche gab es. [Niedrig 2003; Weiß 2003]
Adick, Christel; Mehnert, Wolfgang (2001): Deutsche Missions- und Kolonialpädagogik in Dokumenten. Eine kommentierte Quellensammlung aus den Afrikabeständen deutschsprachiger Archive 1884-1914. Frankfurt/Main: IKO. – Hansen, Georg (1994): Schulpolitik als Volkstumspolitik. Quellen zur Schulpolitik der Besatzer in Polen 1939-1945. Münster: Waxmann. – Hansen, Georg (1995): Ethnische Schulpolitik im besetzten Polen. Der Mustergau Wartheland. Münster: Waxmann. – Kokou, Azamede (2009): Transkulturationen? Ewe-Christen zwischen Deutschland und Westafrika, 1884-1939. Stuttgart: Franz Steiner. – Lemke Muniz de Faria, Yara-Colette (2002): Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung. Afrodeutsche „Besatzungskinder“ im Nachkriegsdeutschland. Berlin: Metropol. – Niedrig, Heike (2003): Der non-formale Sektor und seine Angebotsstruktur. Außerschulische Bildung, Beratung und Betreuung für afrikanische Flüchtlingsjugendliche in Hamburg. In: Neumann, Ursula u.a. (Hrsg.): Lernen am Rande der Gesellschaft. Bildungsinstitutionen im Spiegel von Flüchtlingsbiografien. Münster: Waxmann, 93-136. – Reuter, Lutz R.; Scheunpflug, Annette (2006): Die Schule der Freundschaft. Eine Fallstudie zur Bildungszusammenarbeit zwischen der DDR und Mosambik. Münster: Waxmann. – Rüchel, Uta (2001): „Wir hatten noch nie einen Schwarzen gesehen“. Das Zusammenleben von Deutschen und Namibiern rund um das SWAPO-Kinderheim Bellin. 1979-1990. Schwerin: RAA. – Timm, Susanne (2007): Parteiliche Bildungszusammenarbeit. Das Kinderheim Bellin für namibische Flüchtlingskinder in der DDR. Münster: Waxmann. – Ustorf, Werner (1989): Die Missionsmethode F.M. Zahns und der Aufbau kirchlicher Strukturen in Westafrika (1862-1900): Eine missionsgeschichtliche Untersuchung, Erlangen: Verlag der ev.-luth. Mission. – Weiß, Karin (2003): Junge Flüchtlinge in multikultureller Gesellschaft. Opladen: Leske & Budrich. – Westermann, Verena (1999): Eine fast vergessene Einwanderung. AfrikanerInnen in Hamburg 1884-1945. In: Möhle, Heiko (Hrsg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der Deutsche Kolonialismus in Afrika – eine Spurensuche in Hamburg. Hamburg: Libertäre Assoziation, 87-92.