Wiederholungsschulen
In den meisten Allgemeinen Schulordnungen des 18. Jahrhunderts war vorgesehen, dass Jugendliche zwischen dem zwölften und sechzehnten Lebensjahr nach Abschluss der sechsjährigen Volksschule weiterhin und vornehmlich im Sommer so genannte „Wiederholungsstunden“ zu absolvieren hatten. Die Wiederholungsschulen waren für Kinder bestimmt, die an keiner weiteren schulischen Ausbildung teilnahmen. Die in den Wiederholungsschulen gelehrten Fächer waren dieselben wie in der Volksschule, jedoch angelegt auf Repetition und Vertiefung des Primarschulstoffs. Als eine erweiterte Form der Christenlehrstunden sollten jedoch außer der Wiederholung der Glaubenslehren und moralischer Grundsätze auch noch einmal das Lesebuch durchgenommen werden. Zumeist waren die Wiederholungsschulen für sämtliche aus der Primarschule austretenden Schüler für die Dauer von zwei Jahren obligatorisch. Von dieser Verpflichtung wurden diejenigen Kinder dispensiert, die nach der Primarschule in eine höhere Lehranstalt eintraten. Zum Besuch der „Wiederholungsschule“ waren jedoch auch die Lehrjungen in Handwerk und Gewerbe verpflichtet, ausgenommen waren nur diejenigen Jugendlichen, die eine weiterführende Schule besuchten. [Engelbrecht 1984; Friedrich 1987; Hoke/Reiter 1993]
Die Wiederholungsschulen konnten sowohl an den Pfarrschulen als auch an die Gemeindeschulen angegliedert sein. Die Durchsetzung des Schulzwangs stellte sich aber als schwierig heraus. Häufig wurden die Lehrkräfte für die zusätzlichen Unterrichtsstunden nicht bezahlt, auch die Ausstattung der Einrichtung war oftmals dürftig und die Reinigung und Beheizung des Schulzimmers nicht gesichert. Viele Gemeinden sind jedoch der Regelung nicht nachgekommen. Und wenn irgendwo ein Lehrer eine Wiederholungsschule eröffnete, ging sie zumeist mangels Unterstützung nach kurzer Zeit ein. Je nach Bedürfnis und Umständen wurde die Stundenzahl der Wiederholungsschulen von den Gemeinderäten festgesetzt. [Neugebauer 1982]
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde allerdings bei den Rekrutenprüfungen ein hoher Anteil von jungen Männern gefunden, die nicht lesen und nicht schreiben konnten. Als Rechtfertigung wurde zunächst angeführt, dass ein Großteil dieser Analphabeten aus der Zeit stamme, als der Schulunterricht noch nicht obligatorisch war. Als Reaktion auf solche Resultate wurden vielerorts Verordnungen erlassen, um die Wiederholungsschule obligatorisch einzuführen oder den Besuch derselben zu sichern.
Gemeinden mussten nun eine genügende Anzahl Wiederholungsschulen einrichten. Wer die Primarschule sechs Jahre absolviert und vom Schulrat die gesetzliche Entlassung aus derselben erhalten hatte, wurde verpflichtet, wenigstens zwei Jahre an der Wiederholungsschule teilzunehmen. Solche Schüler, die zusätzlich zu den sechs Jahren Primarschule ein weiteres Jahr dieselbe oder eine Fortbildungsschule (Berufsschule) besuchten, waren von der Wiederholungsschule befreit. Außerdem wurde vorgeschrieben, dass der Unterricht wöchentlich zweimal, in der Regel an zwei Werktagen, zu je zwei Stunden stattzufinden hatte. Im Allgemeinen waren jedoch die Leistungen unbefriedigend und der Schulbesuch mangelhaft. Um die Missstände in den Wiederholungsschulen zu beheben, wurden diese oftmals bald wieder abgeschafft. Als Ersatz folgte in der Regel die Einführung eines weiteren, zumeist des siebten, Schuljahres oder die Verpflichtung, eine berufsvorbereitende Fortbildungsschule zu besuchen. [Reble 1971]
Engelbrecht, Helmut (1984): Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Band 3: Von der frühen Aufklärung bis zum Vormärz. Wien: Österreichischer Bundesverlag. – Friedrich, Gerd (1987): Das niedere Schulwesen. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band III. 1800-1870. Herausgegeben von Karl-Ernst Jeismann und Peter Lundgreen. München: C.H.Beck, 123-152. – Hoke, Rudolf; Reiter, Ilse (Hrsg.) (1993): Quellensammlung zur österreichischen und deutschen Rechtsgeschichte. Wien: Böhlau. – Neugebauer, Wolfgang (1982): Bemerkungen zum preussischen Schuledikt von 1717. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Band 31, 155-176. – Neugebauer, Wolfgang (2005): Niedere Schulen und Realschulen. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Band II: 18. Jahrhundert. Herausgegeben von Notker Hammerstein und Ulrich Hermann. München: C.H. Beck, 213-259. – Reble, Albert (Hrsg.) (1971): Geschichte der Pädagogik. Dokumentationsband I. Stuttgart: Ernst Klett.