Begriffe

Eine konsensuale übergreifende Bezeichnung für die in diesem Lexikon beschriebenen Schulen gibt es nicht – weder in der deutschsprachigen noch in der international-vergleichenden Erziehungswissenschaft.

Schulen der Jugendhilfe

Die allermeisten der in diesem Lexikon verzeichneten Schulen in Deutschland werden in Trägerschaft der öffentlichen oder freien, örtlichen oder überörtlichen Kinder- und Jugendhilfe geführt (§§ 69ff SGB VIII). Einige wenige können einem Bildungsträger zugeordnet sein, das sind qua gesetzlicher Definition arbeitsweltbezogene Einrichtungen, die von der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden und der beruflichen Aus- und Weiterbildung dienen (§§ 176ff SGB III). Vereinzelt gibt es Schnittpunkte zu den Trägern der Rehabilitation, Jugendgerichtshilfe und Psychiatrie. Denkbar wären auch Träger der kulturellen Bildung, die aber eher Ergänzungsschulen ohne staatliche Anerkennung sind (→ Ersatzschulen). Die Schulen für schwierige Lebenslagen können somit als Jugendhilfeschulen bezeichnet werden, die indes mehrere Entwicklungslinien zeigen. [Schroeder 2020]

Heimerziehung: Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder die Erziehung in einer anderen Familie begleiten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten. Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden. Die Heimerziehung ist eine Aufgabe der Jugendhilfe und wird von entsprechenden Trägern durchgeführt, die wiederum von den Sozialbehörden kontrolliert werden. Oftmals besuchen die „Heimkinder“ die heimnahen öffentlichen Schulen, insbesondere in geschlossenen Einrichtungen wird die Beschulung indes im Heim stattfinden. Die zuständige Schulbehörde ordnet Lehrkräfte ab, oder sozialpädagogische Fachkräfte, die bei einem Jugendhilfeträger angestellt sind, erteilen den Unterricht. [§34 SGB VIII; Picker 2010]

Jugendsozialarbeit: Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern. Soweit dies nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen. Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen gewährleistet werden. In diesen Fällen sollen auch der notwendige Unterhalt des jungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfe geleistet werden. Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden. [§ 13 SGB VIII]

Bildungsauftrag der Kinder- und Jugendhilfe: Mit dem Achten Sozialgesetzbuch wurde 1990 der Kinder- und Jugendhilfe ein außerschulischer Bildungsauftrag erteilt (§ 11 SGB VIII) sowie ein Kooperationsgebot von Schule und Jugendhilfe implementiert (§ 81 SGB VIII). Im deutschen Grundgesetz (Artikel 7 Abs. 3) ist festgelegt, dass das Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht. Daher war eine gesetzliche Verankerung der Kooperation im Schulrecht der Länder der erste notwendige Schritt für die Sicherung der Rahmenbedingungen der Kooperationsbeziehungen. Diese Festschreibung in den Landesgesetzen sollte sich allerdings noch über längere Zeit hinziehen. Generell wurde in den Schulgesetzen der Bundesländer die Verpflichtung von Schulen zur Kooperation mit externen Partnern neu geregelt. Als hauptsächlicher Kooperationspartner wird dabei die Kinder- und Jugendhilfe genannt. Das führte zur Einführung von in Schule stattfindender, auf Schulen bezogene und schulnahe Sozialarbeit. In diesem Kontext werden spezielle Klassen (z.B. temporäre Lerngruppen) an Regelschulen eingerichtet oder auch externe sozialpädagogische Lern- und Bildungsorte geschaffen. [Alicke/Hilkert 2012]

Schulpflichtverletzungen: Die rechtlichen Möglichkeiten, Schulpflichtige wegen nicht-normgerechten Verhaltens oder Schulverweigerung dauerhaft vom Unterricht auszuschließen, sind durch die Schulgesetze streng reglementiert. Zwar können die Behörden die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht einer öffentlichen Schule ruhen lassen, doch die Schulpflicht ist juristisch nicht aufhebbar. Im Rahmen der staatlichen Fürsorgepflicht für Minderjährige müssen deshalb solche Kinder und Jugendliche in schulanalogen Jugendhilfemaßnahmen untergebracht werden, die dann überwiegend im Ansatz der Intensivpädagogik nach § 36 SGB VIII die Erfüllung der Schulpflicht und somit das Entfaltungsrecht auch für als nicht beschulbar geltende Kinder und Jugendliche abzusichern haben. Für Schulverweigernde kann das Familiengericht das Jugendamt zum Amtspfleger mit dem Wirkungskreis „Erfüllung der Schulpflicht“ bestellen. Einer sozialarbeiterischen Fachkraft kann dann vom Amtspfleger die Wahrnehmung dieser Aufgabe übertragen werden, oder das schulabsente Kind bzw. der/die schulverweigernde Jugendliche wird einem schulersetzenden Grund- oder Sekundarschulprojekt in Trägerschaft der Jugendhilfe (→ Ersatzschule) zugewiesen. [Kunkel 2016]

Alicke, Tina; Hilkert, Marius (2012): Schulsozialarbeit und die Kooperation von Jugendhilfe und Schule im Jugendhilferecht. Frankfurt am Main: GEW. – Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste (2019): Struktur und Finanzierung von Organisationen, die im Rahmen von Jugendarbeit tätig sind. Berlin: WD 9 -3000 -005/19. – Köngeter, Stefan; Mangold, Katharina, Strahl, Benjamin (2016): Bildung zwischen Heimerziehung und Schule. Ein vergessener Zusammenhang. Weinheim und Basel: Beltz Juventa. – Kunkel, Peter-Christian (2016): Gesetzliche Verankerung von Schulsozialarbeit. Frankfurt am Main: GEW. – Picker, Stefanie (2010): Heimerziehung und Schule. eBook, ePUB. Diplomica Verlag. – Schroeder, Joachim (2020): Schulen der Jugendhilfe. In: Bollweg, Petra; Buchna, Jennifer; Coelen, Thomas; Otto, Hans-Uwe (Hrsg.): Handbuch Ganztagsbildung. Wiesbaden: Springer VS, 645-654.